Im irland journal erschien zuletzt eine Reportage zum Irlandkalender 2013, in der ich die Geschichten einzelner Kalendermotive erzählte. Nach und nach werde ich diese auch hier im Blog veröffentlichen. Heute erfahren Sie, wie das Januar-Motiv des Irlandkalenders 2013 entstand:
Kühe. So mein erster Gedanke als ich einige Schritte über die Weide gegangen war, auf der sich die Steinreihe von Eightercua befindet. Normalerweise schenke ich diesen Vierbeinern nur am Rande Beachtung. Doch das sollte sich schlagartig ändern. Denn in der Herde kam plötzlich Unruhe auf. Nicht etwa meinetwegen, sondern ausgelöst von zwei Jungbullen, die sich Stirn an Stirn „duellierten“. Nachdem einer der beiden das Weite suchte, hatte der siegreiche Bulle mich erspäht und trabte in meine Richtung los. Ich hob meine Arme und stieß ein lautes „Ho“ aus. Was ansonsten von jeder noch so großen Kuhherde als Signal zum Rückzug verstanden wird, beeindruckte den übermütigen Bullen nicht im geringsten. Ganz im Gegenteil. Er nahm jetzt richtig Fahrt auf. Da will man eine altehrwürdige Steinreihe fotografieren und findet sich urplötzlich in einer Stierkampfarena wieder. Ich beschloss meine Taktik zu ändern, nahm meine Arme runter und stattdessen die Beine in Hand. Die Steinreihe liegt auf einer kleinen Kuppe und ist umrandet von etlichen Steinen. Gerade als ich oben ankam, blieb der Bulle etwa drei Meter hinter mir stehen. Offenbar mochte er nicht klettern und nachdem er festgestellt hatte, dass ich keine Lust zum „spielen“ hatte, drehte er ab und hüpfte zu seiner Herde zurück.
Ich konnte mich nun der Steinreihe mit ihren vier stattlichen Steinen (errichtet um ca. 1700 v. Chr) widmen und nahm etliche Einstellungen auf. Der Himmel war gespickt mit Wolken. Das bringt schöne Kontraste aber auch immer wieder Wartezeiten weil sich die Sonne hinter den Wolken versteckt. Diese überbrücke ich gerne damit, dass ich mein Fotoobjekt näher erkunde. So fiel mir auf, dass die kleineren Steine, die mir den Bullen vom Hals gehalten haben, an den vier aufgerichteten Steinen ausgerichtet sind. Sie wirken wie die äußere Begrenzung eines größeren Bauwerkes. Diese Vermutung wird auch durch eine Legende befeuert, nach der Eightercua die Grabstätte von Scéine sei, der Frau des Anführers der milesischen Invasoren. Die Milesier fielen in grauer Vorzeit in Irland ein und werden als die Stammväter des heutigen Irlands vermutet. Der Legende nach sollen sie die alten Herrscher der grünen Insel in die Anderswelt vertrieben und fortan das Zepter in der sichtbaren Welt geschwungen haben. Eine schöne Stelle haben sich die Erbauer der Anlage jedenfalls ausgesucht, denn man hat von hier aus einen herrlichen Panoramablick auf Lough Currane und den Atlantik.
Bevor ich mich auf den Rückweg begab, hielt ich nochmals Ausschau nach der Kuhherde bzw. dem geselligen Jungbullen. Allesamt hatten sie sich ein ganzes Stück von der Steinreihe entfernt. So konnte ich mich heimlich davon machen. Wobei ich gestehen muss, dass ich noch ein ums andere Mal einen Blick über meine Schulter warf um auf Nummer sicher zu gehen.